Ein Mensch, der die Gelegenheit bekommt, seine Meinung zu äussern, seine Gefühle auszudrücken, sein Potential zu zeigen, dem wird dadurch bereits geholfen. Das gilt für Kinder genauso.
Die wichtigste Hilfe, die wir einem Kind in seelischer Not bieten können, ist, Ordnung zu schaffen ins Chaos, welches es im Zusammenhang mit einem problematischen Thema erfährt. Zuhören ist oft die wichtigste Hilfestrategie, obwohl wir Erwachsenen dazu neigen, mehr tun zu wollen.
Kinder haben oft andere Prioritäten als Erwachsene. Es lohnt sich, aufzupassen, dass unsere Prioritäten nicht auf einmal Vorrang bekommen, wenn wir zum Beispiel auf Informationen aus sind. Kinder haben Meinungen und Informationen, die wir von ihnen erfahren möchten. Die Frage ist, wie wir mit Kindern kommunizieren um dieses Ziel zu erreichen.
Für ein Gespräch mit einem Kind braucht es Zeit und Geduld. Erwachsene brechen die Initiativen eines Kindes zum Gespräch oft ab und übernehmen, anstatt dem Kind Zeit zu lassen, selber auszudrücken, was es sagen will. Ein Kind, das die Wörter unserer Sprache aussprechen kann muss noch lange nicht in der Lage sein, die Fragen zu formulieren, die es beschäftigen. Kinder verfügen über eine innere Weisheit und wissen oft Vieles, das sie nicht in Worte fassen können. Wir als Erwachsene müssen uns befreien von Leistungsdruck und Ohnmachtsgefühlen, wenn wir wirklich teilnehmen wollen an den Fantasien, Träumen, Symbolen, Ideen und Gefühlen eines Kindes.
Es ist wichtig, einem Kind den Gesprächsrahmen und allfällige Regeln zu erklären. Es kennt sie nicht automatisch. Zum Beispiel:
„Mich interessiert das, was für dich wichtig ist, deine eigene Meinung. Alles ist ok, wenn es das ist, was du findest.” Oder: „Ich stelle dir vielleicht Fragen, auf die ich die Antworten selber nicht kenne, deshalb kann ich dir dann nicht helfen. (Im Gegensatz zur Schule, wo die Kinder Fragen gestellt bekommen, deren Antworten die Lehrerin schon kennt.) Es ist wichtig, dass du nicht einfach etwas erfindest. Es macht nichts, wenn du etwas nicht weisst oder vergessen hast.”
Das Gedächtnis eines kleineren Kindes funktioniert zum Beispiel besser in räumlicher als in zeitlicher Hinsicht. Es ist deshalb fruchtbarer, zu fragen: „Wo warst du, als das passierte?”, als „Wann hast du erfahren, dass das passiert ist?”
Mit einem Kind über ein spezifisches Thema zu reden ist eine grosse Herausforderung, vor allem, wenn es um etwas Schmerzliches geht. Die grösste Anzahl verbaler Äusserungen stammt meistens vom Erwachsenen. Kinder sagen nicht viel, selbst wenn sie in anderen Lebenssituationen beim Erzählen recht aufdrehen können. Die nonverbale Kommunikation spielt, vor allem bei kleineren Kindern, eine viel wichtigere Rolle als die Sprache.
Wir brauchen ein hohes Mass an Empathie um nicht Gefahr zu laufen, interpretierend zu ergänzen, dem Kind unser eigenes Denken aufzudrängen oder zu meinen, wir wüssten, was im Kind vorgehe. Haben wir Respekt vor der Eigenart des Kindes und lassen wir uns immer wieder verwundern!
In der offenen Gesprächsführung geht es darum, das Kind dort abzuholen, wo es gerade steht. Ein gutes Therapiegespräch bedeutet, dass sich das Kind angehört fühlt und eine Hilfe bekommt, die bei dem anschliesst, was in ihm vorgeht. Das Kind erlebt: „Meine Geschichte ist es wert, angehört zu werden, ich bin es wert, dass man mir zuhört.”
Es ist wichtig, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, indem man zum Beispiel bastelt, spielt oder malt mit dem Kind. Auch Bilderbücher anzuschauen kann hilfreich sein und manchmal ist Humor ein starkes Mittel um Spannungen zu brechen, indem man zum Beispiel einen Witz erzählt.
Streben wir einen gleichwertigen Austausch an mit einem Kind, begeben wir uns am Besten auf Augenhöhe. Wollen wir, dass das Kind Verantwortung für das Gespräch empfindet, müssen wir eine niedrigere Körperhaltung einnehmen. Nonverbaler Kontakt ist essentiell. Über Augenkontakt kann das Kind erkennen, was in uns vorgeht.
Oft, wenn es um schwierige Themen geht und das Kind nach Formulierungen sucht, ist es von Vorteil, nebeneinander zu sitzen. Das Kind zeichnet zum Beispiel während dem Gespräch. Oder es spielt mit Puppen, die vielleicht plötzlich Stimmen bekommen.
Ein Kind wirkt im Gespräch besser mit, wenn es spielen und reden kombinieren kann. (Bis zu einem Alter von etwa acht Jahren wird Lernen als Spiel erfahren.) Sich zu bewegen ist für kleinere Kinder sehr wichtig. Wird ihnen das untersagt, werden sie ein Gespräch als immer spannungsvoller erleben, selbst wenn dessen Inhalt dies überhaupt nicht ist.
Es ist wichtig, dass das Gesprächsziel verdeutlicht wird. Das schafft Orientierung und verhindert Angst oder Verunsicherung. Manchmal muss dies wiederholt werden, wenn Motivation und Bereitschaft zum Gespräch nachlassen oder schwinden. Dies signalisiert das Kind zum Beispiel durch körperliche Unruhe, Abwenden des Kopfs, abwartende Haltung oder Ablenkungsmanöver.
Manchmal braucht es auch eine aufrichtige, unterstützende Bemerkung wie: „Ich verstehe jetzt viel besser..., weil du mir das so gut erklärt hast.” Oder: „Ich bin so froh, dass ich das jetzt verstanden habe. Da ist noch etwas, das ich so gerne wissen möchte! Aber wird dir das nicht zuviel?” Oder es ist wichtig, dem Kind mitzuteilen, wie es mich berührt, wie ich mich fühle, wenn ich ihm zuhöre.
Was ein Kind erzählt, scheint oft nicht zum Thema zu passen. Ich möchte zu Bedenken geben, dass Gespräche mit Kindern von anderen Möglichkeiten und Merkmalen geprägt sind als Gespräche unter Erwachsenen. Es ist wesentlich, Zeit und Raum zu schaffen um geduldig zuhören zu können. Das Kind macht die Erfahrung, dass der Erwachsene nicht alles weiss und gerne hört, was es zusagen hat. Statt zu fragen: „Wie ist es in deiner Klasse?” könnte es heissen: „Ich weiss gar nicht, wie es in deiner Klasse ist. Erzählst du mir davon?”
Wir müssen uns auch der Unterschiedlichkeit der Sprachfertigkeit von Kindern bewusst sein. Bis zum Alter von etwa zehn Jahren kann ein Kind kaum präzise sagen, was es meint. Die Sprache muss sich erst noch herausbilden und das Abstraktionsvermögen ist noch beschränkt. Die Worte, die ein Kind braucht, haben nicht zwingend die Bedeutung, die wir Erwachsenen ihnen geben würden.
Ich habe oft erfahren, dass erst fast am Ende einer Sitzung, wenn ich längst keine Erwartungen mehr habe, plötzlich etwas Essentielles zum Ausdruck kommt. Das hat mir geholfen, Erwartungen abzubauen, Geduld aufzubauen und darauf zu vertrauen, dass das Kind eine Möglichkeit findet, das, was innerlich brodelt, an die Oberfläche zu bringen und Worte dafür zu finden.